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Rundbrief September 2009

Liebe Freunde,
Diesen Rundbrief beginne ich mit dem Bericht über einen Skandal, von dem einige von euch vielleicht schon aus der Zeitung oder dem Internet erfahren haben. Dieser Skandal hat mich sehr erschreckt, obwohl ich gar nicht genau sagen kann, was denn daran so besonders schlimm ist, wenn ich es mit all dem vergleiche, was Tag für Tag in Guatemala an Korruption, Ausbeutung, Morden und anderen kriminellen Handlungen geschieht.
Auf dem Foto seht ihr eine Demonstration, auf der ein Video vorgeführt wird, das ein am Sonntag ermordeter Rechtsanwalt namens Rosenberg einige Tage vor seinem Tod aufnehmen und bei seiner Beerdigung verteilen ließ. In diesem Video beschuldigt er den Präsidenten, dessen Ehefrau und einige bekannte Politiker, seine Ermordung zu planen. Außerdem behauptet er, dass die Staatliche Bank Banrural, die überall auf dem Land Filialen hat und günstige Kredite vergibt, der Drogenmafia zur Geldwäsche dient. Der Rechtsanwalt wird von einigen für einen Märtyrer erklärt, der allen Guatemalteken ein Beispiel im Kampf für ein besseres Guatemala sein soll, andere behaupten, er sei von Regierungsgegnern zu dem Video gezwungen und dann von ihnen selbst ermordet worden. Viele Leute und Organisationen fordern den Rücktritt des Präsidenten. Dieser lässt Fotos von sich an arme Leute verteilen, die in Bussen angefahren werden und bezahlt mehr als 200 Bürgermeistern aus dem ganzen Land einen Flug in die Hauptstadt, damit sie ihn öffentlich unterstützen. Er behauptet, dass das Video eine Montage ist, die zu einem Plan seiner politischen Gegner gehört, das Land unregierbar zu machen. Zu diesem Plan soll auch die Ermordung von über 60 Busfahrern seit anfangs des Jahres gehören, genauso wie die Korruptionsvorwürfe gegen den Präsidenten und seine Ehefrau, die wichtige finanzielle Entscheidungen trifft und über sehr viel Geld verfügt. Offiziell verwendet sie diese Mittel, um armen Familien zu helfen, weigert sich allerdings, dem Parlament Finanzberichte vorzulegen, so dass der berechtige Verdacht besteht, dass viel Geld in die eigene Tasche fließt.
Die gerichtliche Untersuchung der Aussagen im Video ist bereits angelaufen. Gleichzeitig rufen immer mehr Einzelpersonen und Organisationen zu Demonstrationen für und gegen die Regierung auf. Andere kritisieren die Tatsache, dass dadurch von der alltäglichen Ungerechtigkeit, Armut und Ausbeutung abgelenkt wird, und dass dieser Mord nicht zu einer Bewusstseinsbildung über die Situation im Land führt, sondern eher der Oberschicht dient, ihre Streitereien um wirtschaftliche und politische Macht auszutragen. Ganz egal wie es ausgeht, die große Mehrheit wird weiterhin unter Kriminalität, Unsicherheit, Arbeitslosigkeit und den unzureichenden öffentlichen Diensten zum Beispiel im Erziehungs- und Gesundheitsbereich leiden.
Soweit zur aktuellen politischen Situation.

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Mittlerweile hat die Regenzeit angefangen. Der Mais wächst, wie ihr auf dem Foto seht. Im November wird er geerntet werden. Leider werden wir auch schon von Unwettern geplagt, sie sind Ausläufer der Hurrakane die sich im Pazifik und Atlantik bilden. Im Hochland (Cantel liegt auf 2300m) gibt es keine Überschwemmungen wie an den Küsten, aber es wird immer wieder Bergrutsche geben. Gerade hat mich Don Pedro angerufen, um mir zu erzählen, dass der Platz zwischen Kirche und Rathaus voll mit Schlamm ist, weil dort, wo am Berghang Mais angebaut wurde, die Erde abgerutscht ist. Die Zufahrt ins Stadtzentrum ist an drei Stellen verschüttet.

Nun zu unserer Arbeit, die wir hoffentlich trotz politischer Krisen und schlechtem Wetter mit eurer Hilfe und unseren Ideen und Engagement weiterführen können.

Am Dienstag dieser Woche, dem 12. Mai haben wir im Colegio Maya für ungefähr 90 Frauen aus der Seniorengruppe Muttertag gefeiert.

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Jede Klasse aus dem Colegio gab einen Beitrag mit Liedern, Gedichten und Marimbamusik. Einige Frauen sangen selbst Lieder vor, andere erzählten von früher. Alle bekamen eine selbstgemachte Handcreme und ein Handtuch aus den Restbeständen der geschlossenen Stofffabrik.

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Die nächste große Veranstaltung für die Senioren und Seniorinnen wird im August zum Patronatsfest stattfinden. Neben diesen Veranstaltungen läuft die häusliche Betreuung weiter. Zur Zeit haben einige Atemwegsbeschwerden. Doña Mélida, unsere Krankenschwester, behandelt sie im Krankenhaus mit Antibiotika und alternativer Medizin.

Wir hatten vor, jetzt anzufangen, alle im Krankenhaus zu untersuchen und die einfacheren Probleme zu behandeln. Leider hat der starke Regen die zu engen Abwasserrohre in der Straße überlastet, so dass das Abwasser in Haus zurückfließt, und den Fußboden überschwemmt. In dieser Woche haben die Handwerker angefangen, einen provisiorischen Abfluss zu graben und die Rohre so zu verlegen, dass ein Rückfluss verhindert wird, bis in unserer Straße die Abwasserleitung erneuert wird. Solange der Fußboden nicht erneuert ist, werden wir umräumen und die Kranken in den oberen Räumen untersuchen.

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Im Colegio Maya sind in diesem Jahr 97 Kinder eingeschrieben. Die Lehrer und Lehrerinnen haben sich sehr gefreut, die neuen Lehrer sind sehr motiviert, wollen lernen, bleiben oft freiwillig länger, um den Unterricht zu besprechen und das Arbeitsklima ist sehr angenehm. Eine wichtige Rolle spielt dabei Don Pedro, unser Vereinsvorstand, weil er mit seiner Schulerfahrung den sehr jungen Lehrern (zwischen 20 und 25 Jahren, nur die Lehrerin der Vorschule ist mit 45 Jahren älter) wie eine Art Vater und Berater zur Seite steht. Sie lassen es gerne zu, wenn er im Unterricht sitzt, weil er ihnen dann hinterher seine Meinung sagt und Vorschläge macht. Zusammen mit mir führen wir Kurse zu Themen und Problemen durch, die wir bei den Unterrichtsbesuchen entdecken. Diese Entwicklung verlangt von uns, dass wir den Lehrern entgegenkommen und mehr Raum zur Verfügung stellen. Doña Maria ist mit 25 Kindern von dreieinhalb bis fünfeinhalb Jahren in ihrem

Raum ziemlich eingezwängt. Mittlerweile haben alle einen Sitzplatz, nur ist es in den Klassenzimmern ziemlich eng. Solange das Wetter sonnig und trocken war, konnte der Unterricht auch im Freien stattfinden, leider ist diese Zeit jetzt vorbei.
In den letzten beiden Jahren haben wir im Vorstand von Le K’at uns hauptsächlich um die Qualität des Unterrichts bemüht: Die Lehrer sollen, wenn immer möglich die Lebensumwelt und die Kreativität der Kinder als Ausgangspunkt nehmen, sie sollen individuell fördern und einen engen Kontakt mit den Eltern halten. Wir haben einen eigenen Musiklehrer, der zweimal in der Woche kommt, und nachmittags mit eine Marimba und Perkussionsgruppe betreut, einmal kommt ein Sportlehrer, der neben dem Unterricht, nachmittags Basketball- und Fußballmann- und Frauschaften trainiert. Mit der Musik und dem Sport nehmen viele Schüler auch an Wettbewerben in anderen Orten teil. Das soll ihr Selbstbewußtsein stärken und Sozialverhalten fördern. Das Engagement und die Weiterbildung der Lehrer war uns wichtiger als das materielle Umfeld.

Die Eltern haben gemerkt, dass der Unterricht besser wurde, ihnen gefällt die individualisierte Betreuung, und so rechnen wir fürs nächste Schuljahr mit weiteren Einschreibungen. Deshalb müssen wir das Schulgebäude erweitern. Südlich des Sportplatzes, der auch als Pausenhof dient, wollen wir neben einem Kinderspielplatz neue Toiletten und fürs erste mindestens zwei Klassenräume und ein Lehrerzimmer bauen. Wir haben bereits einen Ingenieur beauftragt, die Arbeiten für die Begradigung des etwas ansteigenden Geländes zu berechnen. Nächste Woche will er uns die Ergebnisse abliefern und wir werden uns überlegen, wie dieses neue Gebäude aussehen soll.

Von euch wünschen wir uns finanzielle Unterstützung. Wir können von den Eltern Arbeitsleistung erbitten, aber kein Geld für Baumaterial. Auch das monatliche Schulgeld, zur Zeit 3 Euro, dürfen wir nicht mehr als 30% erhöhen. Die Einnahmen aus dem Schulgeld reichen gerade knapp für zwei Lehrergehälter. Nur die Hälfte der Familien kann das Schulgeld für ihre Kinder ohne Probleme bezahlen. Die ärmeren Familien, die ihre Kinder nicht in die kostenlose öffentliche Schule schicken, weil sie einen besseren Unterricht haben wollen, müssen nichts bezahlen. Es gibt sogar Kinder, die arbeiten, um das Colegio Maya besuchen zu können. Das ist der Fall von einer Familie, deren Problem wir erst bemerkt haben, als wir fragten, warum das älteste Mädchen so oft fehlte. Da kam dann noch heraus, dass drei jüngere Geschwister zu Hause sind, die auch gerne in die Schule kommen möchten. Denen haben wir das Schulgeld erlassen, und Don Pedro Cortez, seit Januar Direktor der Schule, ist mit allen nach Quetzaltenango gefahren, um sie in Gebrauchtkleiderläden von den Schuhen bis zur Mütze auszustatten.

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Einige unserer Stipendiaten haben sehr gute Noten, gehören sogar zu den Besten in der Klasse, einer hat ein halbes Stipendium an der privaten Universtät der Jesuiten bekommen, andere wiederum tun sich sehr schwer. Das habe ich bei den letzten Treffen vor allem bei den Neuen gemerkt, die jetzt gerade ihre Mittelschule anfangen. Sie bekamen in der Abschlussklasse (6. Klasse) der Grundschule gute Noten, aber einige haben große Schwierigkeiten beim Lesen, was ihnen in allen anderen Fächern Nachteile bringt und im zweimonatlichen Zeugnis schlechte Noten. Auch die Rechtschreibung ist fürchterlich. Sie sind in Klassen mit über 40 Schülern, und die Lehrer haben keine Zeit und auch keine Lust, sich um die einzelnen Schüler zu kümmern. Die Eltern dieser Kinder haben keinen Schulabschluss, und so tun sie sich schwer. Weil wir ihnen mit dem Stipendium helfen, so dass sie nicht noch extra arbeiten müssen, um ihr Material zu kaufen und ihren Bus zu bezahlen, wollen wir dass sie sich besonders anstrengen und nicht nur knapp das Klassenziel erreichen. Und da gute Ratschläge allein nicht helfen, haben wir die Auszahlung des Stipendiums an die Bedingung geknüpft, dass sie zu Hause neben den Hausaufgaben zusätzlich an ihren Lernproblemen arbeiten: zu Haus lesen und Übungen machen und uns diese beim nächsten Treffen mitbringen. Ich habe ihnen erklärt, dass sie die Hilfe nicht hauptsächlich deswegen bekommen, weil sie arm sind, sondern weil sie sich um einen höheren Schulabschluss bemühen. Und das sollen sie zeigen.

Gute Nachrichten haben wir von der Bibliothek. Obwohl wir noch keine schriftliche Zusage für ein Grundstück haben, so scheint es mittlerweile doch sicher, dass wir eines bekommen. Wir wurden nämlich aufgefordet, unseren Beitrag für den Anschluss an die elektrische Leitung zu bezahlen, die jetzt für alle die im Fabrikgelände wohnen, neu gelegt wird. Das heißt, wir stehen auf der Liste der

Anwohner, auch wenn wir noch nicht wissen, wieviel wir für das Grundstück bezahlen müssen. Es soll angeblich nicht mehr als 50 000 Quetzal (=5000 Euro) sein. Hoffentlich stimmt das. Der Anschluss an die Stromversorgung war im Vergleich teuer, nämlich 2000 Quetzal (=200 Euro). Damit wir keinen Termin versäumen, sind wir in dauerndem Kontakt mit der Sekretärin, die bei den Verhandlungen zur Auflösung der Fabrik mitarbeitet. Sie hat die Grundschule der Fabrik vor der Schließung gerettet, gibt dort selbst Unterricht, nimmt an unseren Fortbildungen teil und ist sehr daran interessiert, dass die Bibliothek ein besseres Gebäude bekommt.

Was die Gesundheitserziehung angeht, so läuft sie etwas langsam. Die Eltern der Kinder im Colegio Maya haben kaum Zeit für Treffen, so arbeiten wir hauptsächlich mit den Kindern zum Thema „Gesunde Ernährung“ und „Zahneputzen“. Wenn Kinder krank werden, behandle ich sie, rede mit der Mutter, darüber was sie tun soll, also zum Beispiel das kranke Kind im Bett lassen, und nicht mit einem Fiebermittel in die Schule schicken. Mit den Kindern der Abschlussklasse mache ich Sexualerziehung, wobei eine Menge an Themen zur psychischen und körperlichen Gesundheit einfließen. Vor allem Mädchen kommen nach dem Unterricht zu mir und erzählen mir von ihren Sorgen und Beschwerden.

Ins Krankenhaus kommen immer wieder Kranke, Patienten von Miguel und neue, außerdem die Kranken aus der Seniorengruppe. Oft sind es Patienten, bei denen die Methoden der Ärzte keine Gesundung gebracht haben, da nehme ich mir Zeit und suche andere Mittel. Ich behandle sie mit Pflanzenmedizin, Bioresonanz, Bachblüten, Bioelektrik. Doña Melida, meine Krankschwester behandelt Unfallwunden, Diabetikerfüße, nimmt Proben fürs Labor, und wir beide haben schon einigen Erfolg gehabt. Wir haben sogar angefangen selbst aus Pflanzen, Medikamente herzustellen und probieren sie an uns und anderen Freiwilligen aus. Die Anregungen geben uns die Leute, die mit Tees aus hiesigen Heilpflanzen ihre Beschwerden behandeln. Es ist sehr interessant, und ich bin dabei in der Praxis und aus Büchern viele neue Dinge zu lernen. Gerade bemühe ich mich um die Grundlagen der Irisdiagnostik, für später habe ich mir die Kinesiologie vorgenommen.

Wenn jemand allerdings mit einer Blinddarmentzündung oder anderen schweren akuten Erkrankungen kommt, dann müssen wir sie woandershin schicken, da wir keinen ständigen Arzt hier haben.

Wenn ihr zu einem der Projekte Fragen habt, bitte schreibt mir, ich antworte euch gern.
Wenn ihr einen Überblick über alle Projekte haben wollt, dann geht in unsere Internetseite. Sie ist zwar noch nicht ganz fertig, trotzdem findet ihr darin viel grundlegende Information und noch mehr Fotos: www.itzamna.info.
Auch für kritische Anmerkungen zu dieser Rundmail bin ich dankbar.

Wir vom Verein Le K’at danken euch allen für eure Spenden, mit denen ihr unsere Arbeit möglich macht, und allen im Verein Itzamna – Hilfe für Guatemala, die all die nötigen Schreibtischarbeiten machen, damit das Geld zu uns kommt, ihr eure Spendenbescheinigungen und Rundbriefe bekommt, und uns auch sonst mit Rat und Tat zur Seite stehen.

Ende Juni werde ich für etwas mehr als 3 Wochen nach Deutschland kommen, ich freue mich, wenn ich einige von euch treffen kann, auch wenn die Zeit knapp ist.

Viele herzliche Grüße aus dem zur Zeit verregneten Guatemala Eure Walli

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