Stipendiaten

Rundbrief Januar 2009

Cantel, 21. Januar 2009

Liebe Freunde,
Ihr seht hier auf dem Foto Mais, der im November geerntet wurde. Mais ist in Guatemala und den anderen mesoamerikanischen Ländern das Hauptnahrungsmittel und die Mayas selbst nennen sich Maismenschen. Das Netz voll Mais hat unserem Verein den Namen Le K’at gegeben. Zum Beginn dieses Jahres möchte ich euch einladen, eine Episode aus den Maya-Mythen kennenzulernen, die mit einem Netz voll Mais zu tun hat.

In den Mayamythen ist eine Hauptgestalt ein junges Mädchen namens Ixquic. Ixquic wird als Jungfrau schwanger und zwar von göttlichen Zwillingen Hun Hunahpu und Wukub Hunahpu, die gegen die Herren von Xibalbá, dem Reich des Dunkels und des Todes, gekämpft haben und dabei umgekommen sind. Sie soll einem neuen Zwillingspaar das Leben schenken, das diesen Kampf weiterführen soll. Sie überwindet viele Hindernisse, um diese Aufgabe zu erfüllen, und in einer dieser Episoden kommt das Netz vor.

Hochschwanger sucht sie ihre Schwiegermutter auf, um bei ihr zu leben und dort die Zwillinge zu gebären. Zu ihrer Familie kann sie nicht zurück, denn diese gehört zu den Herrschern von Xibalbá und wollte sie wegen dieser Schwangerschaft ermorden lassen.

Als Ixquic vor die Alte trat, sagte sie zu ihr: “Ich bin gekommen, Frau Mutter, ich bin eure Schwiegertochter.” So sprach sie.
“Woher kommst du? Wo sind meine Söhne? Starben sie etwa nicht in Xibalbá? Siehst du nicht diese hier, ihr Brüder Hunbatz und Hunchuen, das sind meine Nachkommen. Woher kommst denn du? Verschwinde!” schrie die Alte.
“Ich bin wirklich eure Schwiegertochter, und zwar schon seit einiger Zeit. Ich gehöre Hun Hunahpu und seine Nachkommen leben. Sie sind nicht gestorben, und sie werden sich bald zeigen, in dem, was ich in mir trage.” Das sagte sie der Alten.
Darauf sagte die Alte: “Ich will dich nicht als Schwiegertochter, du bist eine Hure und Betrügerin, meine Söhne sind schon lange tot.” Dann fügte sie hinzu: “Gut, vielleicht bist du doch meine Schwiegertochter. Dann geh nur gleich und mache das Essen für alle hier. Gehe und hole ein Netz voll Mais und komm gleich wieder. Denn daran werde ich sehen, ob du meine Schwiegertochter bist.”
“Gut, das mache ich” sagte Ixquic. Sie ging auf das Feld, zu dem Hunbatz und Hunchuen schon den Weg frei gemacht hatten, aber sie fand nur eine einzige Maispflanze. Da füllte sich ihr Herz mit Angst.
“Oh, ich Unglückliche, woher soll ich Mais finden, um das Netz zu füllen, wie mir befohlen wurde?”
Und sie rief den Hüter der Saaten, Chahál. ”Überflussbringer, Reifegott, Bereiter des Maisbreies! Du, Chahál, Hüter der Saaten!”
Dann ergriff sie die Fäden, die aus dem Maiskolben heraushingen, riß sie ab, ohne den Maiskolben abzubrechen, und legte sie ins Netz. Und das große Netz füllte sich ganz.
Ixquic kehrte zurück, die Tiere des Feldes trugen das Netz und stellten es in eine Ecke des Hauses, so als ob sie selbst es gebracht hätte.
Da kam die Alte. Als sie den Mais in dem großen Netz sah, schrie sie: “Woher hast du diesen Mais? Hast du etwa das Maisfeld geplündert und alles hergebracht. Ich werde gleich nachsehen.” Und sie machte sich auf zu ihrem Maisfeld. Aber die einzige Maisstaude stand noch immer da. Die Alte kehrte nach Hause zurück und sagte: “Jetzt habe ich den Beweis, dass du meine Schwiegertochter bist. Ich bin bereit deine Werke zu sehen, die du in dir trägst und die Weise sein werden.”

Diesen Text haben wir zum Auftakt unserer Mitgliederversammlung gelesen, und jeder hat seine Gedanken dazu geäußert. Unsere Arbeit muss ja einige Hindernisse überwinden, und wir brauchen eine feste Überzeugung und viele Ideen, um unser Netz zu füllen und die Zweifel anderer Leute zu beseitigen. Wenn es dann voll ist, wiegt es schwer und wir suchen Helfer.
Jetzt zu Aufgaben, die sich uns am Anfang dieses Jahres stellen:

Seit langem bemühen wir uns um ein eigenes Gebäude für unsere Bibliothek, das jetzige ist etwas kalt und feucht. Wie ich schon im November geschrieben habe, hat sich die ehemalige Sekretärin des Fabrikverwalters bei einem Fortbildungsseminar für Lehrer von der Qualität unserer Arbeit überzeugt. Daraufhin hat sie uns ihre Hilfe zugesagt, von der Bank, der das Fabrikgelände jetzt gehört, ein günstig gelegenes Grundstück für den Bau einer eigenen Bibliothek zu bekommen. Das hat uns sehr gefreut und wir dachten schon, dass wir bald mit dieser Arbeit anfangen können. Nun stellt sich heraus, dass keiner der Antragsteller auf Grundstücke (vor allem Familien, die schon seit Jahrzehnten dort leben) bis jetzt eine rechtlich gültige Zusage oder auch nur eine Information über den Preis bekommen haben. Niemand weiß, ob das nur bürokratische Probleme sind, oder ein Hinhaltemanöver. Don Pedro Cortez, unser Vorsitzender wird auf jeden Fall regelmässig nachfragen und wohl auch direkt Kontakt mit dem zuständigen Bearbeiter in der Bank aufnehmen.

Eine unerwartete, aber erfreuliche Situation hat sich im Colegio Maya ergeben:
Zum Schuljahrsanfang in der letzten Woche haben sich viele neue Schüler eingeschrieben. Jetzt reichen die Stühle nicht mehr und es wird in den Klassenzimmern recht eng. In der Vorschulklasse sind 25 Kinder mit nur einer Lehrerin. Die freut sich zwar genauso wie ihre Kollegen und Kolleginnen der Grundschule über das Vertrauen, das ihnen die Eltern entgegenbringen, aber sie seufzen auch etwas wegen der größeren Verantwortung und der Mehrarbeit.

Don Pedro, seit diesem Jahr der Direktor des Colegio Maya, ist fast täglich dort, schaut was fehlt, bringt alte Stühle zum Reparieren, lässt sich Kostenvoranschläge für neue aufstellen, und hilft den Lehrern bei der Bewältigung der neuen Anforderungen. Wir denken auch daran, den Raum, in dem bis jetzt die Marimba steht, und der zweimal in der Woche für den Musikunterricht benützt wird, als Klassenraum herzurichten. Das bedeutet, dass wir die Wände neu verputzen und im Dach ein transparentes Fenster einbauen lassen. Leider ist diese Ausgabe im Haushaltsplan für dieses Jahr nicht vorgesehen. Da bräuchten wir eine Extra-Spende. Dann können wir diese Aufgabe in Angriff nehmen.
Wahrscheinlich werden sich auch unsere Ausgaben für die Gesundheitsfürsorge der Kinder erhöhen. Fast alle haben ein bis fünf verschiedene Parasiten, viele sind unterernährt, und haben deshalb auch Lernschwierigkeiten. Da sind wir wirklich sehr froh über eure Hilfe, denn mit ihr können wir zusammen mit den Eltern der Kinder einiges verändern. Einen besonderen Dank an die Betty-Reis-Gesamtschule in Wassenberg, die uns bei diesen Aufgaben hilft.

Seit dem letzten Jahr haben wir uns Gedanken über einen kleinen Kinderspielplatz gemacht. Wir haben jemanden gefunden, der Spielplätze aus Holz baut, und haben das Holz in Auftrag gegeben. Das muss nun drei Monate trocknen, dann kann der Spielplatz gebaut werden. Dafür haben wir von den Kindern der St. Nikolaus-Schule in Köln, die mit ihren Lehrern einen Sponsorlauf durchgeführt haben, die Hälfte der Kosten bekommen. Einen ganz herzlichen Dank an die Kinder, Lehrer und Eltern!

Wir haben bereits mit der Lehrerfortbildung weitergemacht, mit Schwerpunkt auf Kreativität und Selbstwertgefühl der Schüler und Schülerinnen. Im November hielt eine Kunstlehrerin von der Deutschen Schule einen Kurs in künstlerischem Gestalten.

An einem Nachmittag im Januar haben Lehrer von 4 verschiedenen Schulen ihre selbst erarbeiteten Materialien für Lernzirkel vorgestellt und ausgetauscht.

Als nächstes probieren wir mit den Lehrern des Colegio Maya eine Methode aus, mit der die Kinder Lust am Lesen bekommen sollen. Hier in Guatemala wird im Sprachunterricht hauptsächlich Grammatik und Rechtschreiben geübt. Kreative Methoden kennen die meisten jungen Lehrer in ihrer Ausbildung nicht kennen.

Was die Stipendiaten angeht, so haben wir einige neue, die alle aus sehr armen Familien stammen. Don Pedro hat selbst alle Familien, die einen Antrag auf Hilfe gestellt haben besucht, und die ärmsten ausgesucht, wobei die guten Noten beim Grundschulabschluss eine wichtige Voraussetzun sind. Wir haben 4 neue aufgenommen, im Ganzen sind es jetzt 13, Mädchen und Jungen von 12 bis 19 Jahren. Sie danken allen Paten und Spendern und werden im Laufe des Jahres eigene Briefe schreiben. Ein Junge, Luis Alberto, ist dabei, der nach der Mittelschule mit dem Lernen ausgesetzt hat, weil er sich die Weiterbildung nicht leisten konnte. Er will Automechaniker werden, und zwar mit einer Ausbildung, die ihm gleichzeitig die Möglichkeit gibt, später an der Universität ein Ingenieurstudium anzuschließen und gleichzeitig zu arbeiten. Leider muss er dafür Schulgeld bezahlen, 35 Euro im Monat, im Jahr 350 Euro, der Höchstbetrag, den wir für bei dem jetzigen Spendeneingang für jeden Stipendiaten zur Verfügung haben. Es reicht ihm dann nicht für Bücher und Busgeld. Da er einen vielversprechenden Eindruck macht, werden wir ihm im ersten Halbjahr geben, was er braucht. Wenn er überdurchschnittlich gute Noten hat, helfen wir ihm über den Höchstbetrag hinaus weiter. Wenn jemand eine Patenschaft für ihn übernehmen will, dann wäre das sehr schön.

Die Arbeit mit den Senioren, wird dann im Februar weitergehen, wenn wir regelmässig zu Nachmittagen einladen möchten. Dabei sollen nicht alle (ungefähr 100) kommen, sondern kleinere Gruppen, für die wir uns Aktivitäten ausdenken: singen, tanzen, Gedichte aufsagen, Geschichten erzählen. Zum Schluss bekommen sie einen kleinen Imbiss. Wir werden euch dann davon berichten. Hier ein paar Bilder vom Altennachmittag im Dezember.

Eine Arbeit fehlt noch in der Aufzählung: Die Erstellung einer neuen Website. Diese Aufgabe wird ein Gemeinschaftswerk von Herrn Wolfram Uhl , dem Vorsitzenden des Unterstützervereins Itzamná, einem jungen Mann aus Weingarten (Baden) und mir. Wir hoffen, wir werden im Januar mit der deutschen Version fertig. Dort stehen dann die Projektbeschreibungen und ihr könnt euch regelmässig über aktuelle Ereignisse informieren.

Für heute viele herzliche Grüße und vielen Dank für all die Hilfe, die wir im letzten Jahr bekommen haben. Erzählt euren Bekannten von uns, denn die Arbeit wächst, und hier spüren die Menschen die Wirtschaftskrise besonders stark.

Eure Walli

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